Skip to main content
Kategorie: Arbeit + Personal
| 09:18 Uhr

Arbeitsrecht | Wettbewerbsrecht: Rücktritt vom Wettbewerbsverbot

BAG, Urteil vom 31.01.2018, Az.: 10 AZR 392/17


 

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.01.2017 entschieden, dass sich Arbeitnehmer nach den Regeln des Allgemeinen Schuldrechts von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten lösen können, wenn sich der Arbeitgeber seinerseits abredewidrig verhält und die Karenzentschädig nicht zahlt.

Möchte sich ein Arbeitgeber gegen künftige Konkurrenzhandlungen seiner Arbeitnehmer absichern, kann er mit diesen in den Grenzen der §§ 74 ff. HGB ein sog. nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren. Eine wirksame Vereinbarung untersagt dem Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit für maximal zwei Jahre und sieht für den Fall von Zuwiderhandlungen Vertragsstrafen des Arbeitnehmers vor, der zudem ggf. Schadensersatz leisten muss und auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Im Gegenzug für den Wettbewerbsverzicht muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine sog. Karenzentschädigung zahlen, deren Höhe mindestens die Hälfte des zuletzt bezogenen Lohns betragen muss.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber die Karenzentschädigung nicht gezahlt, woraufhin der Arbeitnehmer per Email erklärt hatte:

„Bezugnehmend auf Ihre E-Mail vom 1. März 2016 sowie das Telefonat mit Herrn B. möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle.“

Besonderheit an diesem Fall ist, dass sich nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber darauf beruft, der Arbeitnehmer habe mit dieser Email den Rücktritt vom Wettbewerbsverbot erklärt. Hierzu kam es, weil dieser vom Arbeitnehmer auf Zahlung der Karenzentschädigung in Anspruch genommen wurde.

 Das Bundesarbeitsgericht sah – ebenso wie zuvor das Landesarbeitsgericht – die Email als Rücktrittserklärung an, mit dem Ergebnis, dass die wechselseitigen Pflichten ab Zugang der Email entfielen.

 

Bewertung

Die Entscheidung des BAG verdient im Ergebnis Zustimmung, wirft jedoch auch weitere Fragen auf.

Wenig praktische Bedeutung dürfte zunächst die Klärung haben, dass die Email als verbindliche Erklärung der Abstandnahme von dem Wettbewerbsverbot auszulegen ist, obwohl das LAG die Revision gerade wegen der Klärungsbedürftigkeit der Anforderungen an eine derartige Erklärung zugelassen hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein vergleichbarer Fall wiederholt, dürfte gering sein, in der Praxis wird ein Rücktritt regelmäßig ausdrücklich und unzweifelhaft erklärt.

Von deutlich größerer Bedeutung dürften die Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen und zur Folge des Rücktritts sein. Das BAG misst dem Rücktritt lediglich Wirkung für die Zukunft bei. Dies erstaunt vor dem Hintergrund, dass § 346 BGB als Rücktrittsfolge die Rückabwicklung des Vertrags anordnet, die schlichte Beendigung für die Zukunft (ex nunc) sieht das Gesetz nur als Rechtsfolge von Kündigungen vor.

Weshalb das BAG die Email nicht direkt als Kündigung ansieht, sondern den umständlichen Weg über einen Widerruf mit modifizierter Rechtsfolge geht, ergibt sich aus der Pressemitteilung nicht. Der Volltext der Entscheidung liegt noch nicht vor, die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts sind nicht veröffentlicht. Das Berufungsgericht (LAG Nürnberg, 24.05.2017 – 4 Sa 564/16) hatte hierzu lediglich ausgeführt, dass durch die Wirkung „ex nunc“ den sich aus dem Charakter derartiger Vereinbarungen ergebenen Besonderheiten Rechnung getragen werden kann. Weshalb die Auslegung als Kündigung nicht in Betracht kam, kann daher nur Gegenstand von Spekulationen sein.

Es bleibt allerdings zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht sich in den Entscheidungsgründen ausdrücklich mit dieser Frage auseinandersetzt. Dass Gerichte für bestimmte Erklärungen von gesetzlich bestimmten Rechtsfolgen abweichen, muss die Ausnahme sein und bedarf der sorgfältigen Begründung. Bleibt eine solche aus, wird damit ein Anreiz für Ausdehnungsversuche gesetzt. Bedürfte etwa die Kündigung einer bestimmten Form, etwa der Schriftform, und genügte die Erklärung der Abstandnahme dieser Form nicht, hätte etwa die Annahme eines formlos möglichen Rücktritts mit Wirkung „ex nunc“ in erster Linie die Wirkung der Umgehung der Formvorschrift. Der Rechtssicherheit jedenfalls wäre damit nicht gedient.

Daneben wirft der Verweis in die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts zu gegenseitigen Verträgen weitere Fragen auf: Hat der Arbeitnehmer im Fall der ausbleibenden Karenzentschädigung gemäß § 320 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, und hätte dieses zur Folge, dass er bis zur Zahlung der Karenzentschädigung einer Konkurrenztätigkeit nachgehen kann? Hätte der klagende Arbeitnehmer seinen Anspruch alternativ über den auch nach Rücktritt gemäß §§ 325 BGB möglichen Schadensersatz statt der Leistung begründen können? Welchen Inhalt könnte ein solcher Schadensersatz haben, und welcher Wert wäre für den Entfall des Wettbewerbsverbots anzusetzen? Kurz: das nachvertragliche Wettbewerbsverbot bleibt ein spannendes Thema!

Autor: Rechtsanwalt Johannes Zimmermann