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Kategorie: IT + Medien
| 09:23 Uhr

LG Münster: Mobilfunkanbieter muss auf Kosten durch WAP- und Internetverbindungen hinweisen


von Lisa Rose (studentische Mitarbeiterin)

Das LG Münster (Urt. v. 18.01.2011, Az.: 6 S 93/10) hat in der Berufungsinstanz entschieden, dass Mobilfunkanbieter ihre vorvertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten, welche sich aus Treu & Glauben gemäß § 242 BGB ergeben, dadurch nachkommen müssen, dass sie ihre potentiellen Kunden auf Kostenfallen durch WAP- und Internetverbindungen hinweisen.

 Die Klägerin, eine Mobilfunkanbieterin, vermietete dem Beklagten ein Smartphone mit der Navigationssoftware „Route 66“. Hinsichtlich der Internet- und WAP- Nutzungen wurden dem Beklagten von einem Mitarbeiter der Klägerin verschiedene Varianten aufgezeigt. Auf Anraten des Mitarbeiters wählte der Beklagte, der bis dato keine Erfahrungen mit internetfähigen Smartphones hatte, eine volumenabhängige Abrechnung. Zehn Tage später wurde dem Beklagten die SIM- Karte wegen der bis dahin entstandenen Telefonkosten in Höhe von mehr als 1.000 € gesperrt. Da die Klägerin die Sperre nicht aufhob, konnte der Beklagte das Handy in der Folgezeit nicht nutzen. In Rechnung gestellt wurde dem Beklagten in den Folgemonaten der jeweilige Grundbetrag nebst Miete für das Smartphone. Da die Rechnungen nicht beglichen wurden, kündigte die Klägerin den Vertrag und verlangte Schadensersatz aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigung.

 Die Vorinstanz, das AG Ahaus, hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Abrechnung dem Anscheinsbeweis nach richtig sei. Dass das Handy des Beklagten automatische Verbindungen ins Internet hergestellt habe, der Beklagte die Datenverbindungen also nicht wissentlich oder willentlich hergestellt habe, falle in seinen Risikobereich, da er sich mit der Bedienungsanleitung auseinander zusetzten habe um die Funktion zu deaktivieren. Auch könne der Beklagte der Klägerin keine Schadensersatzansprüche gemäß § 242 BGB entgegenhalten. Zwar wird eine generelle Verpflichtung des Anbieters angenommen, den Nutzer auf Auffälligkeiten hinzuweisen. Dieser sei die Klägerin allerdings mit der Sperrung der SIM- Karte nachgekommen. Eine Pflicht des Anbieters, den Nutzer auf jede Art der automatischen Einwahl o.ä. hinzuweisen würde die im Rahmen der Privatautonomie geltenden Selbstverantwortlichkeit des Kunden zu stark zu Lasten des Mobilfunkanbieters verschieben. Der Schadensersatzanspruch beruhe auf der Kündigung infolge des Zahlungsrückstandes und resultiere aus
§§ 611, 280, 281, 398 BGB iVm den AGB der Klägerin.

 Gegen das Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Das LG Münster entschied, dass im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich jede Partei selbst dafür verantwortlich sei, die eigenen Interessen wahrzunehmen und sich die für sie relevanten Informationen zu beschaffen. Eine Aufklärungspflicht gemäß § 242 BGB bestehe jedoch, wenn der Vertragspartner nach Treu & Glauben und den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten dürfe.

 Aufklärung im Hinblick auf die Gefahren bei Nutzung eines Smartphones in Kombination mit einer verbrauchsabhängigen Abrechnung hätte der Beklagte nach diesem Maßstab erwarten können und dürfen. Dem Anspruch der Klägerin stehe daher der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegen.

Die Klägerin habe im Rahmen des Vertragsschlusses durch den zuständigen Mitarbeiter, dessen Verhalten sie sich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss, vorvertragliche Nebenpflichten verletzt. Sie hätte den Beklagten auf die Gefahr erheblicher kosten durch WAP- und Internetverbindungen und die damit einhergehenden Vorzüge einer Datenflatrate hinweisen müssen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Klägerin dem Beklagten gleichzeitig das Mobiltelefon mit der Navigationssoftware „Route 66“ vermietet hatte und ihr bekannt war, dass dieses Gerät Internet- und WAP- Verbindungen mit erheblichem Datenvolumen herstellen könnte. Der Beklagte konnte trotz des ihm bekannten Datenvolumenpreis, welcher ihm als besonders niedrig suggeriert wurde, die mögliche Kostenfolge durch die Funktion nicht erkennen und erwarten. Er konnte die von dem Handy heruntergeladene Datenmenge und die damit verbundenen Kosten nicht überblicken. Der Mitarbeiter der Klägerin wäre daher im Rahmen der Beratung vor Vertragsschluss gemäß § 242 BGB dazu verpflichtet gewesen, den Beklagten auf die Gefahren bei Nutzung des Smartphones in Kombination mit einer verbrauchsabhängigen Abrechnung hinzuweisen und ihm eine Datenflatrate zur Vermeidung dieser Kostenfalle zu empfehlen.