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Kategorie: Geistiges Eigentum & Wettbewerb IT + Medien
| 21:30 Uhr

Streaming: Abmahnung wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung – Hilfe für Abgemahnte


von RA Johannes Zimmermann

Aktuelle Abmahnwelle von U+C Rechtsanwälte

Seit dem 05.12.2013 versendet die Kanzlei Urmann und Collegen (U + C Rechtsanwälte) aus Regensburg massenweise Abmahnungen wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen durch Streaming. Die Abgemahnten sollen auf dem Portal www.redtube.com die Filme Amanda's Secrets, Miriam's Adventures, Glamour Show Girls, Dream Trip oder Hot Stories angesehen und dadurch Urheberrechtsverstöße begangen haben. Gefordert werden die Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie die Zahlung eines Betrages in Höhe von € 250,00.

Die mit diesen Abmahnungen einhergehenden rechtlichen Problemstellungen sind für den Laien kaum zu durchschauen. Unsicherheiten entstehen zudem durch den Umstand, dass eine Vielzahl von Problemen im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen, die im Internet begangen werden, noch nicht höchstrichterlich geklärt sind und es eine Reihe unterschiedlicher, teilweise konträrer Gerichtsentscheidungen zu der Thematik gibt. Der Großteil dieser Entscheidungen betrifft Abmahnungen wegen Filesharing und sind daher nur mit Vorsicht auf das Streaming zu übertragen, zum Streaming selbst gibt es noch keine gerichtlichen Entscheidungen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen ersten Überblick über die rechtlichen Aspekte der Abmahnungen und zeigt Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten für Abgemahnte auf. Keinesfalls können die folgenden Informationen jedoch eine anwaltliche Beratung ersetzen.

Was genau ist eine Abmahnung?

Eine Abmahnung dient dazu, den Betroffenen auf eine von ihm begangene Rechtsverletzung aufmerksam zu machen, damit dieser in die Lage versetzt wird, die beanstandete Handlung für die Zukunft einzustellen. In den Abmahnungen von U + C Rechtsanwälte  findet sich daher zunächst ein Hinweis darauf, dass diese die „The Archive AG“ mit Sitz in der Schweiz vertreten, deren Rechte an den Filmen verletzt sein sollen. Anschließend wird die Rechtsverletzung bezeichnet, es wird also benannt, um welches der Filmwerke es sich handeln soll und zu welchem Zeitpunkt ein Verstoß unter einer bestimmten IP-Adresse (angeblich) festgestellt worden ist.

Weiterhin finden sich rechtliche Ausführungen in den Abmahnschreiben. Es wird ausgeführt, welche Ansprüche (Unterlassungs-, Schadensersatz-, Kostenerstattungsanspruch) die „The Archive AG“ meint, geltend machen zu können. Es handelt sich dabei im Regelfall um vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, eine fiktive Lizenzgebühr und einen pauschalen Schadensersatz für die Ermittlung der angeblichen Rechtsverletzung. Schließlich ist den Abmahnungen eine vorformulierte strafbewehrte Unterlassungserklärung oder eine Vergleichsvereinbarung beigefügt, in der Regel über 250,00 €.

Wie lautet der Vorwurf?

In den Abmahnungen wird dem Abgemahnten vorgeworfen, dass dieser über seinen Internetanschluss auf dem Portal www.redtube.com eine Kopie eines der eingangs aufgeführten Filme gefertigt haben soll.  Hierüber wundern sich die Abgemahnten, da sie meinen, das Video lediglich angesehen, nicht aber kopiert zu haben.  Tatsächlich fertigt aber der zum Betrachten eines Videostreams genutzte Rechner eine flüchtige Kopie der Videodatei im Zwischenspeicher, die spätestens nach dem Ausschalten des Rechners wieder gelöscht wird. Dies ist eine technische Notwendigkeit und lässt sich nicht vermeiden – ohne diese Kopie kann der Film nicht wiedergegeben werden.

Stellt dies eine Urheberrechtsverletzung dar?

Die nur vorrübergehende Vervielfältigung der Datei im Arbeitsspeicher des PC dürfte eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung nach § 16 UrhG darstellen. Unter Juristen umstritten ist jedoch, ob die Erstellung einer solchen flüchtigen Kopie nicht von den sog. „Schranken des Urheberrechts“, also Ausnahmeregeln, gedeckt ist. In Betracht kommt insbesondere § 44a UrhG, der eingreift, wenn die Vervielfältigung als wesentlicher Teil eines technischen Verfahrens anzusehen ist. Naheliegend ist auch ein Rückgriff auf das Recht der Privatkopie nach § 53 Abs. 1 UrhG. Demnach ist die Herstellung einer Kopie im privaten Bereich zulässig, wenn die Ursprungsdatei nicht aus offensichtlich rechtswidriger Quelle stammt. Hiervon kann aus unserer Sicht bei Portalen wie „redtube“ nicht ohne weiteres ausgegangen werden, so dass vieles für eine Anwendbarkeit von § 53 UrhG spricht.

Die Kanzlei Urmann und Kollegen verweisen für ihre Ansicht auf ein Urteil des Amtsgerichts Leipzig (Urt. v. 21.12.2011, Az.: 200 Ls 390 Js 184/11). Ob die Entscheidung des AG Leipzig richtungsweisend ist, darf allerdings bezweifelt werden. Es handelt sich nicht um die Entscheidung der – für den Freistaat Sachsen ebenfalls beim AG Leipzig ansässigen – Spezialabteilung für Urheberrechtsstreitigkeiten, sondern um das Urteil einer Strafabteilung ohne besonderen urheberrechtlichen Schwerpunkt. Das AG Leipzig stellt knapp und im Ergebnis zweifelhaft fest, dass § 44a UrhG nicht einschlägig sei, da die Kopie im Zwischenspeicher eigenständige wirtschaftliche Bedeutung habe. Mit § 53 UrhG setzt sich das Gericht nicht auseinander. Eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Fragen unterblieb aber, da es im Ergebnis auch nicht darauf ankam. Ob Spezialabteilungen für Urheberrecht die Frage genauso beantworten würden, erscheint zweifelhaft. Die Folgen wären nicht abzusehen nicht zuletzt weil der Nutzer meistens erst nach Erstellung der flüchtigen Kopie überhaupt feststellen kann, ob er urheberrechtlich geschütztes Material betrachtet.

Sind die Filme überhaupt urheberrechtlich geschützt?

In den einschlägigen Foren kursieren Gerüchte, dass die Filme keinen Urheberrechtsschutz genießen. Worauf sich diese Ansicht stützt, wird allerdings nicht näher ausgeführt. Es ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass Filmaufnahmen urheberrechtlichen Schutz genießen, wenn sie nicht etwa dadurch entstanden sind, dass eine Videokamera nur versehentlich eingeschaltet wurde. Für pornographische Werke gelten insoweit keine Sonderregeln. Zwar hatte das LG München I mit Beschluss vom 29.05.2013, Az.: 7 O 22293/12 einem Pornofilm die Schutzfähigkeit abgesprochen, da diese lediglich „sexuelle Vorgänge in primitiver Weise“ zeigten. Da aus dem Beschluss selbst folgt, dass diese Wertung auf nachlässiger Prozessführung der Rechteinhaber beruhte, darf aber bezweifelt werden, dass nun reihenweise Pornofilmen der Urheberrechtsschutz versagt wird.

Wie wurde die Adresse ermittelt? Ist das überhaupt legal?

Ermittelt wird immer die Person des Anschlussinhabers, die nicht notwendigerweise den Film auch selbst betrachtet hat. Die Ermittlung erfolgt über die IP-Adresse, an die der Stream übertragen wurde.  Um zu ermitteln, welcher Person der zur IP-Adresse gehörige Anschluss zuzuordnen ist, strengen die Rechteinhaber gerichtliche Auskunftsverfahren gegen den zuständigen Provider (z.B. Deutsche Telekom, 1&1, Vodafone etc.) an, in denen Auskunft über die Person des Anschlussinhabers verlangt wird. Die gerichtlichen Beschlüsse, mit denen die Auskunftserteilung angeordnet wird,  sagen nichts darüber aus, ob die behauptete Urheberrechtsverletzung tatsächlich stattgefunden hat, da dies im Auskunftsverfahren nicht ernsthaft überprüft wird. Macht der zuständige Provider widersprüchliche Angaben zur Person des Anschlussinhabers, geht dies regelmäßig zu Lasten des Rechteinhabers (LG Frankfurt a.M., Urteil v. 09.02.2012, Az. 2-03 O 394/11).

Unklar ist bislang allerdings, wie die IP-Adresse ermittelt wurde. Anders als bei Filesharing baut der Rechner des Konsumenten des Films nicht mehrere Verbindungen zu verschiedenen anderen Teilnehmern einer Tauschbörse auf, sondern lediglich eine 1 zu 1 Verbindung zu dem Server des Portals, über das die Filme abgerufen werden. Da nur eine Telekommunikationsverbindung zwischen dem Nutzer und dem Portalbetreiber aufgebaut wird, kann grundsätzlich auch  nur Letztgenannter die IP-Adresse des Nutzers feststellen. Da aber nicht der Betreiber der Videoplattform die Abmahnungen ausspricht, wird bereits spekuliert, woher die IP-Adressen stammen:

  • Im Internet verbreitet sich die Theorie, dass die „The Archive AG“ die Internetseite www.redtube.net betrieb und auf den Rechnern aller Besucher der Seite, die eigentlich die Seite www.redtube.com besuchen wollten, ein Programm installierte, anhand dessen das Nutzungsverhalten des Nutzers analysiert wurde. Dafür soll sprechen, dass mehrere Abgemahnte Virenwarnungen erhalten haben sollen. Rechtlich wäre ein solches Vorgehen indes zweifelhaft. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist ein solches Vorgehen unzulässig, da zum Zeitpunkt der Installation des Programms noch nicht klar ist, ob und ggf. welche Videos im Anschluss gestreamt werden. Je nach Ausgestaltung des Programms kann dies sogar nach §§ 202a ff. StGB oder nach § 303a StGB strafbar sein. Ob die unter massiven Rechtsverstößen erlangten Daten in einem gerichtlichen Verfahren wegen verhältnismäßig geringfügiger Urheberrechtsverstöße (wenn es überhaupt solche sind) verwendet werden dürften, darf bezweifelt werden.
  • Möglich ist auch die Überwachung des Servers. Kooperiert der Betreiber des Portals dabei allerdings nicht, müssen ähnlich dubiose Methoden wie bei der Überwachung der Rechner der Kunden eingesetzt werden. Wie genau die Überwachung des Servers technisch ausgestaltet ist, bleibt zunächst unklar. Allerdings sind alle denkbaren Methoden aus datenschutzrechtlicher  und strafrechtlicher Sicht ebenfalls zweifelhaft.
  • Ebenfalls findet sich die Theorie, dass die Ermittler auf www.redtube.com neben den jeweiligen Videos Werbung geschaltet haben und über die Zugriffe auf die Werbung auf den Abruf der Videos schließen. Ob sich durch den Nachweis des Abrufs der Werbung aber auch der Nachweis des Downloads des Videos in den Cache nachweisen lässt oder nur der Aufruf der entsprechenden Seite, wäre eine  noch zu klärende Frage.
  • Denkbar ist schließlich auch, dass die Betreibergesellschaft der Seite www.redtube.com den Ermittlern Auskunft über die gespeicherten IP-Adressen erteilt hat. Bei dieser Variante wird zwar auf den Einsatz illegaler technischer Mittel verzichtet. Es stellt sich dann allerdings die Frage, weshalb der Betreiber überhaupt IP-Adressen der Nutzer speicherte. Da dies technisch für das Streaming nicht erforderlich ist, ist die Zulässigkeit anhand der datenschutzrechtlichen Vorschriften zu prüfen, wobei noch unklar ist, ob deutsches Datenschutzrecht überhaupt anwendbar ist.

Die genaue Art der Ermittlung wird sich erst aus den Akten der Auskunft- und Gestattungsverfahren ergeben, wenn sich darin überhaupt Ausführungen finden.

Welche Ansprüche bestehen? Wie soll reagiert werden?

Sollte es sich beim Streaming tatsächlich um eine Urheberrechtsverletzung handeln, folgen daraus zwar bestimmte Ansprüche der Rechteinhaber. Vieles spricht allerdings derzeit dafür, dass die Abmahnungen insgesamt unberechtigt und die behauptete Urheberrechtsverletzung tatsächlich nicht vorliegt. Dann können auch keine Rechte aus der Abmahnung hergeleitet werden.

Im Fall einer Urheberrechtsverletzung kommen zwar Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Betracht. Dabei ist zu den Abmahnungen der Kanzlei Urmann und Collegen jedoch anzumerken, dass sowohl der angesetzte Gegenstandswert von 1.000,00 € für den Unterlassungsanspruch als auch der Schadensersatz von 15,50 € auffällig hoch erscheinen. Ob die Ansprüche in der Höhe berechtigt sind, erscheint zweifelhaft.

Es ist weiterhin ausdrücklich davon abzuraten, die von der Kanzlei Urmann und Collegen beigefügte Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Für Filesharing-Abmahnungen findet sich im Internet häufig der Rat, die Angelegenheit durch Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung zu beenden. Dieser Rat sollte aber nicht blind befolgt und erst recht nicht ohne weiteres auf Streaming-Fälle übertragen werden. Ob überhaupt und ggf. mit welchem Inhalt eine Unterlassungserklärung abgegeben wird, sollte dringend mit einem spezialisierten Berater besprochen werden.

Ob ein Vergleich abgeschlossen werden soll, kann nicht pauschal beantwortet werden. Bei einigen Abgemahnten mag das Bestreben bestehen, die Angelegenheit durch eine Zahlung zu beenden, auch wenn sie sich möglicherweise rechtlich einwandfrei verhalten haben. Wer aber nicht nur ein Video sondern mehrere abgerufen hat, riskiert, dass weitere Abmahnungen folgen und dann der Abschluss mehrerer Vergleiche zu einer teuren Angelegenheit wird.

Einige Abgemahnte mögen sich auch von der Motivation leiten lassen, künftig keine Post in der Angelegenheit mehr zu erhalten, damit der Ehegatte hiervon nichts erfährt. Der Abschluss des Vergleichs ist hierfür aber nicht erforderlich, auch durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts kann sichergestellt werden, dass die Anwaltspost nicht nachhause, sondern zum Bevollmächtigten kommt.

Unser Team von MWW Rechtsanwälte berät Sie zu allen Fragen im Zusammenhang mit Abmahnungen wegen Streamings. Setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung!