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Kategorie: Arbeit + Personal
| 07:54 Uhr

Arbeitsrecht: Die telefonische Krankschreibung ist zurück – und mit ihr ihre Tücken?


Das ist neu

Seit dem 07.12.2023 können bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik aufweisen, wieder per telefonischer Ferndiagnose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden. Der nach § 92 Abs. 4a SGB V für die Erstellung der Richtlinien zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zuständige Gemeinsame Bundesausschuss wurde beauftragt, die telefonische Krankschreibung wieder zu ermöglichen.

Dies wird bezweckt

Die Maßnahme verfolgt primär gesundheitspolitische Zwecke. Der Nutzen liegt auf der Hand: Potentiell ansteckende Personen sollen vom Besuch der Arztpraxis absehen, wodurch einerseits die Krankschreibung schneller erfolgen soll, und andererseits andere Patienten und Praxispersonal vor einer Infektion geschützt werden. Gesundheitspolitisch ist eine solche Maßnahme – unabhängig von möglichen Pandemielagen – sicherlich zielführend und zu begrüßen.

 Arbeitsrechtliche Risiken und Nebenwirkungen

Neben der gesundheitspolitischen Seite weist die telefonische Krankschreibung jedoch auch arbeitsrechtliche Aspekte auf, dient der berühmte gelbe Zettel – bzw. inzwischen sein digitales Pendant – doch dem Nachweis der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber. Diese benötigt der Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 EntgFG als Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber.

 Glaubt der Arbeitgeber nicht an die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und hält er in der Folge die Lohnfortzahlung zurück, wird der Arbeitnehmer seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen müssen. Auch hierbei hilft ihm die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen hohen Beweiswert hat und die Vermutung der Richtigkeit in sich trägt. Arbeitgeber, die sich gegen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stellen möchten, haben es in arbeitsgerichtlichen Verfahren schwer.

 Dieser hohe Beweiswert ist jedoch nicht gesetzlich geregelt, sondern ergibt sich aus der von der Arbeitsgerichtsbarkeit unterstellten Expertise und Vertrauenswürdigkeit der Ärzteschaft. Bei einer Ferndiagnose muss der Arzt jedoch in weiten Teilen die eigene Untersuchung durch Angaben des Patienten ersetzen. Bereits 1976 entschied daher das Bundesarbeitsgericht, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ordnungsgemäß ist, wenn sie ohne vorherige Untersuchung und ohne Patientenbindung erfolgte (BAG, 01.08.1976 – 5 AZR 422/75). Während der Corona-Pandemie griff das Arbeitsgericht Berlin dies wieder auf und sah eine Online-Krankschreibung ohne bestehende Patientenbeziehung und ohne persönliches telefonisches Gespräch als unzureichend an (ArbG Berlin, 04.01.2021 - 42 Ca 16289/20).

Nach der neuen Richtlinie zur telefonischen Krankschreibung darf die telefonische Krankschreibung nur dann erfolgen, wenn sowohl eine Patientenbeziehung vorliegt als auch eine telefonische Beratung erfolgt ist. Damit sollten die arbeitsrechtlichen Nebenwirkungen vermieden werden. Eigentlich. Denn auch wenn eine telefonische Krankschreibung nunmehr unter Umständen ordnungsgemäß erteilt werden kann, dürften die besonderen Umstände ihrer Zulässigkeit im arbeitsgerichtlichen Prozess zumindest ordnungsgemäß dargelegt und im Streitfall entschieden werden müssen. Insofern besteht die Möglichkeit, dass künftig häufiger als bisher Beweis über die ordnungsgemäße Krankschreibung erhoben werden muss und dem Arbeitgeber mehr Ansatzpunkte eröffnet werden.

Arbeitnehmer und Ärzte sollten daher die beschlossenen Voraussetzungen für die telefonische Krankschreibung ernst nehmen. Arbeitnehmern mit ohnehin schon angespanntem Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber ist weiterhin die Krankschreibung in der Arztpraxis zu empfehlen – sicher ist sicher!