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Kategorie: Arbeit + Personal
| 12:23 Uhr

Arbeitsrecht: Zwischenverdienst nach unberechtigter Kündigung - Anrechnung von Fortbildungskosten

Beitrag von RA Johannes Zimmermann, Fachanwalt für Arbeitsrecht


Ausgangslage

Kündigt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, bringt er damit zum Ausdruck, dass er nach dem in der Kündigung angegebenen Beendigungszeitpunkt den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen werde. Stellt sich nachträglich im Kündigungsschutzprozess heraus, dass die Kündigung unwirksam war, schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer daher ab dem Entlassungszeitpunkt auch weiterhin das vereinbarte Arbeitsentgelt, auch wenn dieser in dieser Zeit keine Leistungen erbringt. Das Gesetz sieht allerdings in § 11 Nr. 1 KSchG vor, dass sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt das Einkommen anrechnen lassen muss, das er durch den anderweitigen Einsatz seiner Arbeitskraft erzielt hat. Schwierigkeiten entstehen dann, wenn der Arbeitnehmer seinerseits Kosten übernommen hat, um überhaupt einer anderen Arbeit nachgehen zu können. Dann stellt sich die Frage, ob diese Kosten vom Zwischenverdienst des Arbeitnehmers abzuziehen sind.

 Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.10.2018 – 5 AZR 376/17 einen Fall entschieden, in dem einem Piloten infolge der Insolvenz des Arbeitgebers unwirksam gekündigt wurde, und der zur weiteren Ausübung seines Berufs bei einem anderen Arbeitgeber erhebliche Kosten für den Erwerb der Berechtigung zum Steuern anderer Flugzeugtypen übernehmen musste, da er mit seiner bisherigen Fluglizenz nur einen wenig verbreiteten Flugzeugtypen führen durfte. Hierfür musste er ein Darlehen über 25.000,00 € aufnehmen. Nachdem im gerichtlichen Verfahren die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wurde, verlangt der Pilot Lohnnachzahlungen und möchte vom Zwischenverdienst die Fortbildungskosten abziehen, weil er ohne diese keine anderen Flugzeuge hätte steuern und daher auch kein Einkommen erzielen können.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Fortbildungskosten vom Zwischenverdienst nicht abgezogen werden können. Berücksichtigung finden können lediglich Aufwendungen, die im Rahmen der bisherigen Qualifikationen des Arbeitnehmers zur Fortführung einer fachkundigen und sachgerechten Erwerbstätigkeit erforderlich sind, die also ,vereinfacht gesagt, lediglich die bisherige Qualifikation vertiefen und dem Arbeitgeber auch bei Fortführung der bisherigen Arbeit zugutekommen. Beziehen sich die Fortbildungskosten jedoch auf den Erwerb weiterer Qualifikationen, die den Arbeitnehmer zur Ausübung einer Tätigkeit befähigen, die über den Rahmen der im bestehenden Arbeitsverhältnis geschuldeten Leistungen hinausgehen, können die Kosten keine Berücksichtigung finden und sind nicht vom Zwischenverdienst abzuziehen.

 

Auswirkungen

Die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Abgrenzung bringt gekündigte Arbeitnehmer, die nur mit weiteren Qualifizierungen realistische Aussichten auf ein Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber haben, in Zugzwang. Das Bundesarbeitsgericht führt selbst aus:

„Konsequenz dieses Verständnisses von § 11 Nr. 1 KSchG ist zugleich, dass ein Arbeitnehmer es grundsätzlich nicht iSv. § 11 Nr. 2 KSchG böswillig unterlässt, eine andere zumutbare Arbeit anzunehmen, wenn Voraussetzung hierfür der erfolgreiche Abschluss einer Qualifizierungsmaßnahme ist, für die der Arbeitnehmer finanzielle Aufwendungen zu erbringen hat. Es ist Sache des Arbeitnehmers, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls abzuwägen, was ihm wichtiger und für seinen persönlichen Lebensweg erfolgversprechender erscheint.

Nicht für jeden Arbeitnehmer dürfte die Entscheidung so nahe liegen wie für den Piloten in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, der aufgrund der Insolvenz des alten Arbeitgebers bei diesem nur geringe künftige Verdienstaussichten hatte. Die Entscheidung sollte sorgsam unter Berücksichtigung der branchenspezifischen Arbeitsmarktsituation, der Wettbewerbsfähigkeit des alten Arbeitgebers und natürlich der eigenen Person sowie der Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage erfolgen, und es empfiehlt sich, hierfür unterstützenden fachkundigen Rat einzuholen.

Wir beraten Sie zu allen Fragen im Arbeitsrecht, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf (Ansprechpartner: RA Johannes Zimmermann, Fachanwalt für Arbeitsrecht)