Update für Arbeitgeber: Ausgangssperre und Kurzarbeit
von RA Johannes Zimmermann, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Sehr geehrte Mandanten und Kooperationspartner,
zu den Erfahrungen und weiteren Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie mit Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Arbeitswelt haben wir einige Punkte in einem Update zusammengefasst. Wir hoffen, damit einen kleinen Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten.
1. Drohende Ausgangssperren
In vielen europäischen Ländern wurden bereits Ausgangssperren verhängt, auch in Deutschland gibt es in einzelnen Gemeinden die ersten Ausgangssperren. Der Chef des Bundeskanzleramts hat erklärt, dass auf Grundlage der Beobachtungen des kommenden Wochenendes über die Verhängung weiterer Ausgangssperren beraten wird.
Sollte es zu einer Ausgangssperre kommen, könnten hiervon insbesondere auch Arbeitnehmer betroffen sein. Bei den bisher verhängten Ausgangssperren ist zwar die Fahrt zur Arbeitsstätte gestattet, Arbeitnehmer benötigen aber eine hierfür eine Bestätigung des Arbeitgebers. Da nicht vorherzusehen ist, wann und mit welcher Vorlaufzeit Ausgangssperren verhängt werden, sollten Arbeitgeber möglichst frühzeitig Bescheinigungen erteilen. Berichten zufolge soll in Nachbarländern für jeden einzelnen Arbeitstag eine eigene Bescheinigung erforderlich sein. Ob dies hier erforderlich wird, ist nicht abzusehen, jeder Arbeitgeber sollte hierauf allerdings vorbereitet sein.
2. Kurzarbeit
Wir haben die Rückmeldung erhalten, dass die Bundesagentur für Arbeit bei der Anmeldung von Kurzarbeit und der Beantragung von Kurzarbeitergeld sehr unkompliziert handelt. Dies ist soweit sehr erfreulich, bietet allerdings auch Risiken, da für Arbeitgeber der Anreiz geschaffen wird, von weiteren Planungen und Vereinbarungen im Zusammenhang mit Kurzarbeit abzusehen. In diesem Zusammenhang sehen wir folgende Chancen und Risiken:
a) Vorrang von Urlaub
Die gesetzliche Regelung in § 96 SGB III sieht vor, dass ein Anspruch von Kurzarbeitergeld nicht besteht, wenn die Kurzarbeit durch Gewährung von Erholungsurlaub vermieden werden kann. Die aktuelle Praxis der Agentur für Arbeit geht dahin, lediglich den vorrangigen Einsatz von Resturlaub aus vergangenen Jahren zu verlangen. Unternehmen müssen daher in der gegenwärtigen Lage nicht vorrangig den Erholungsurlaub der Mitarbeiter aus dem laufenden Jahr einsetzen und können so zermürbende Diskussionen mit Mitarbeitern vermeiden. Sinnvoll ist der Verzicht auf den vorrangigen Einsatz von Urlaub aus dem laufenden Jahr vor allem dann, wenn aufgrund von Liquiditätsproblemen abzusehen ist, dass bei vorrangigem Einsatz von Urlaub die Urlaubsvergütung nicht gezahlt werden könnte.
Alle anderen Unternehmen sollten jedoch dringend in Erwägung ziehen, dass nach Ende der Restriktionen bei Wiederaufnahme des Betriebs und der Abarbeitung der Rückstände wahrscheinlich der Einsatz jedes Mitarbeiters benötigt wird. Wenn dann noch mehrere Wochen Urlaub verbraucht werden sollen oder gar müssen, kann dies zu erheblichen Folgeproblemen führen. Es bietet sich daher an, den Verbrauch zumindest eines Teils des Urlaubs aus dem laufenden Jahr in den kommenden Wochen anzuordnen. Mitarbeitern, die ihren Jahresurlaub lieber aufsparen möchten, sollte verdeutlicht werden, dass einerseits das Gesetz den vorrangigen Verbrauch von Urlaub vorsieht, auch wenn die Agentur für Arbeit derzeit nicht darauf achtet, und dass es in der aktuellen Situation nicht um einen Zuwachs an freien Tagen geht, sondern um das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens und die Erhaltung von Arbeitsplätzen.
b) Vereinbarung mit den Mitarbeitern
Die Agentur für Arbeit prüft nicht, ob eine Vereinbarung mit den Mitarbeitern zur Kurzarbeit geschlossen wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine solche Vereinbarung nicht notwendig ist. Die einseitige Anordnung von Kurzarbeit ist allenfalls dann möglich, wenn der Arbeitsvertrag eine entsprechende Regelung enthält. Auch wenn solche Regelungen im Arbeitsvertrag vorhanden sind, ist unklar, ob diese einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würden, bisher gibt es hierzu keine zuverlässige höchstrichterliche Rechtsprechung. Deshalb sollte auf jeden Fall eine Vereinbarung mit den Mitarbeitern oder der Mitarbeitervertretung geschlossen werden und nur wenn dies nicht möglich ist, auf eine Anordnungsklausel im Arbeitsvertrag zurückgegriffen werden.
Ohne Vereinbarung mit den Arbeitnehmern bleibt diesen grundsätzlich der volle Beschäftigungs- und Lohnanspruch, und es ist sehr wahrscheinlich, dass zumindest solche Mitarbeiter, die nach der Krise entlassen werden, diese Ansprüche auch durchzusetzen versuchen.
c) Dauer der Kurzarbeit
Bei der Agentur für Arbeit kann derzeit ohne große Probleme Kurzarbeit für die Höchstdauer angemeldet werden. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dies auch in der Vereinbarung mit den Mitarbeitern sinnvoll ist. Klauseln, die eine lange Kurzarbeitsdauer vorsehen und Verkürzungsmöglichkeiten bei Ende der Restriktionen vorsehen, sind bei geeigneter Formulierung sicherlich möglich. Geht mit der Vereinbarung der Kurzarbeit der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen einher, kann es sich anbieten, die Laufzeit relativ kurz zu halten und dann zu prüfen, ob trotz Kurzarbeit Kündigungen unvermeidbar sind. Nachteil einer solchen kurzen Laufzeit wäre, dass bei Fortdauern der Situation Anschlussvereinbarungen getroffen werden müssten, mit entsprechendem Aufwand aber zu erwartender Akzeptanz der Mitarbeiter.
Welcher Zeitraum realistisch gewählt werden kann, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Obwohl niemand die Zukunft vorhersehen kann, sollten Unternehmen mit erheblichen Einschränkungen bis mindestens Juni dieses Jahres rechnen und sich dann erforderlichenfalls neu orientieren. Sollte die frühere Rückkehr zur Normalität möglich sein, ist auch hierfür Vorsorge zu treffen. All dies sollte in einer Vereinbarung über Kurzarbeit berücksichtigt werden.
Rechtsanwalt Johannes Zimmermann