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Kategorie: Arbeit + Personal
| 09:31 Uhr

Arbeitsvertrag und freie Mitarbeit bei IT-Projekten

Die schwierige Abgrenzung des echten Dienstvertrags von der Scheinselbständigkeit


von RA Johannes Zimmermann
Fachanwalt für IT-Recht

I. Einleitung

Wer einmal ein größeres IT-Projekt begleitet hat, weiß, dass dieses über Monate die gesamte Arbeitszeit der beteiligten Programmierer, Techniker und sonstigen Dienstleister in Anspruch nehmen kann. Im Laufe, bisweilen auch erst nach Beendigung eines solchen Projekts treten zahlreiche Rechtsfragen zu Tage, deren Beantwortung von der typologischen Einordnung des Vertrags abhängt, kraft dessen der einzelne Mitarbeiter beschäftigt wird. Im Regelfall kommt eine Einordnung als Dienstvertrag im Rahmen einer freien Mitarbeit oder ein Arbeitsvertrag in abhängiger Beschäftigung in Betracht. Der Anfall von Lohn- und Umsatzsteuer und Sozialabgaben hängen ebenso von dieser Frage ab wie Beschäftigungs-,  Urlaubs- und Lohnfortzahlungsansprüche oder die Kündigungsmöglichkeiten. Selbst der urheberrechtliche Status des Geschäftsherrn bei der Schaffung von Software ist im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ein anderer als bei Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses.

II. Abgrenzungsfragen

So groß das Bedürfnis nach einer korrekten Einordnung des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses ist, so schwierig ist die Abgrenzung gerade bei IT-Projekten, da viele der herkömmlichen Abgrenzungskriterien aufgrund der Natur der Materie versagen.

1. Bezeichnung des Vertrags

Einen ersten Anhaltspunkt gibt die Bezeichnung des Vertrags. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht es in der Macht der Parteien, einen Vertrag, der die wesentlichen Merkmale eines freien Dienstverhältnisses aufweist, durch Rechtswahl den arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu unterwerfen. Liegt ein schriftlicher, als Arbeitsvertrag bezeichneter Vertrag vor, ist dieser im Regelfall auch als solcher zu behandeln.

Schwieriger ist die Einordnung allerdings, wenn das Verhältnis im Vertrag als freie Mitarbeit bezeichnet wird oder ein schriftlicher Vertrag nicht existiert. Die Einordnung als freie Mitarbeit ist trotz einer solchen Bezeichnung nicht ohne Weiteres möglich, und es kann nur dringend davon abgeraten werden, eine solche Beschäftigung ohne genaue Prüfung nur wegen der Bezeichnung als freie Mitarbeit zu behandeln. Führt der Arbeitgeber aufgrund einer falschen Einordnung keine Sozialabgaben ab, kann er sich nach § 266a StGB strafbar machen.

2. Durchführung des Vertrags

Helfen die Bezeichnung und die konkrete schriftliche Ausgestaltung des Vertrags nicht weiter, kommt es maßgeblich auf die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses an. Ein Arbeitsverhältnis liegt danach dann vor, wenn der Beschäftigte aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist dabei, ob der Beschäftigte in persönlicher Abhängigkeit handelt oder selbständig ist, d.h. im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Entscheidend ist danach das Weisungsrecht des Dienstherren hinsichtlich Arbeitszeit, -ort und -art, und ob der Beschäftigte in eine fremde Arbeitsorganisation eingebunden ist. Verhältnismäßig leicht ist die Abgrenzung dann, wenn in erster Linie die Erstellung von Software geschuldet wird, deren Programmierung nicht zeit- und ortsabhängig ist. Geht es aber um eine aufwändige Einrichtung oder den Wechsel eines Hard- und/oder Softwaresystems beim Auftraggeber, wird die Sache kompliziert:

- Arbeitszeit

Die Arbeitszeit wird häufig vom Projekt vorgegeben. Meistens drängt die Zeit, die ohnehin zeitaufwändige Einrichtung innerhalb der gesetzten Grenzen fertigzustellen, so dass häufig ein achtstündiger Arbeitstag bereits der Natur des Projekts geschuldet ist. Der tägliche Zeitaufwand beruht dann zwar auf einer Vorgabe des Auftraggebers, allerdings in erster Linie der Vorgabe der fristgerechten Fertigstellung. Befragt man die Beteiligten, ist häufig festzustellen, dass die tägliche Arbeitszeit beiden Parteien völlig klar ist und es hierüber keine Diskussionen gibt. Ob die Ableistung einer solchen Arbeitszeit auf dem Direktionsrecht des Auftraggebers beruht, oder allein dem Zeitdruck geschuldet ist, lässt sich häufig nicht zuverlässig feststellen.

Auch die Leistungserbringung während der üblichen Arbeitszeiten des Auftraggebers ist kein zuverlässiges Kriterium, wenn die Leistung vor Ort zu erbringen ist. Eine solche Bestimmung kann zwar die Ausübung des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts des Auftraggebers darstellen, sie kann aber genauso dem Umstand geschuldet sein, dass dem Beschäftigten nur zu diesen Zeiten Zutritt zu den Räumen verschafft werden kann. Umfasst der Vertrag auch Schulungs- und Supportleistungen, kann sich die Notwendigkeit eines genau festgelegten täglichen Arbeitszeitumfangs auch hieraus ergeben.

- Arbeitsort

Muss die Leistung nicht ihrer Natur nach an einem bestimmten Ort erbracht werden, eignet sich die Vorgabe der Leistungserbringung im Betrieb des Dienstherrn oder die freie Wahl des Arbeitsorts durch den Beschäftigten als Abgrenzungskriterium. Bei Installations-, Konfigurations- oder Systemwechselarbeiten, sowie bei Schulungs- und Supportleistungen ergibt sich die Notwendigkeit der Leistungserbringung vor Ort aus der Natur der Leistung. Ob zusätzlich das Direktionsrecht des Auftraggebers eine Rolle spielt, lässt sich regelmäßig nicht feststellen.

- Arbeitsart und Arbeitsinhalt

Der Inhalt der Arbeitsleistung wird dem IT-Dienstleister von seinem Auftraggeber sowohl im Arbeits- als auch im freien Dienstverhältnis regelmäßig nur in groben Zügen vorgegeben, wird er doch regelmäßig aufgrund seiner speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten beschäftigt, die die Fähigkeiten des Auftraggebers nicht selten weit übertreffen. Der Auftraggeber mag zwar Weisungen und Wünsche hinsichtlich der gewünschten Arbeitsergebnisse äußern, er wird aber kraft seiner unterlegenen fachlichen Kenntnis selbst in einem Arbeitsverhältnis regelmäßig nicht in der Regel sein, detaillierte Wünsche hinsichtlich der Reihenfolge der Tätigkeit oder konkrete Weisungen zur Art der Ausführung zu äußern. Hinsichtlich der konkreten Ausführung der Arbeit ist die weitgehende Zurückhaltung des Auftraggebers ein branchenspezifisches Phänomen und daher zur Einordnung des Vertrags als Arbeitsvertrag oder freie Mitarbeit kaum geeignet.

- Integration in den Betrieb

Bisweilen gibt die Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Auftraggebers Aufschluss über die Natur des Vertragsverhältnisses. Für die Einordnung als Arbeitsvertrag spricht etwa, wenn der Beschäftigte zur Übernahme auch anderer, über das eigentliche Projekt hinausgehender Tätigkeiten verpflichtet ist. Aufschluss kann auch der Grad der vom Arbeitgeber ausgeübten Kontrolle, etwa in Form regelmäßiger Berichtspflichten geben.

Regelmäßig ungeeignet ist hingegen die Integration des Beschäftigten in die Hierarchie des Unternehmens, da eine solche bei projektbezogener Tätigkeit grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Auch Vertretungsregelungen werden bei speziellen Kenntnissen und Fertigkeiten des Beschäftigten häufig nicht in Betracht kommen. Die Nutzung von Betriebsmitteln durch den Beschäftigten kann auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses hindeuten, etwa wenn er Programmierarbeiten mit einem vom Auftraggeber gestellten Computer vornimmt, für die er auch einen eigenen verwenden könnte. Die Arbeit mit derartigen Mitteln kann aber ebenfalls der Art der Dienstleistung geschuldet sein, etwa wenn eine Systemimplementierung auf der Hardware des Arbeitgebers erfolgen muss, oder die Nutzung eines auftraggeberseitig gestellten Rechners dessen Wunsch entspringt, dass der Quellcode das Haus des Auftraggebers nicht verlässt und auch später nach einer etwaigen Löschung durch den Beschäftigten nicht mehr wiederhergestellt werden kann.

III. Fazit

Soll im Rahmen eines IT-Projekts ein Beschäftigungsverhältnis als Arbeitsvertrag ausgestaltet werden, sind kaum Besonderheiten zu beachten. Soll ein Vertrag aber als freie Mitarbeit ausgestaltet werden, ist bei der Vertragsgestaltung und der tatsächlichen Handhabung des Beschäftigungsverhältnisses besondere Sorgfalt walten zu lassen, ggf. unter Zuhilfenahme fachkundiger Hilfe.

Unser Team von MWW Rechtsanwälte berät Sie bei der Durchführung von IT-Projeken sowohl im IT-Recht als auch im Arbeitsrecht. Setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung (Ansprechpartner RA Zimmermann).